Von den Wahlen am Dienstag in Israel erwartet er nicht viel
Von Felix Hackenbruch
Jeff Halper ist ein moderner Sisyphus. Sechsmal zerstörten israelische Beamte ein Haus in Palästina, sechsmal bauten er und seine Freunde es wieder auf. Halper (69) ist eigentlich emeritierter Professor der Anthropologie, der aus Protest gegen den Vietnamkrieg aus den USA nach Israel auswanderte. Doch statt im israelischen Haifa am Strand zu liegen und das Rentnerdasein zu genießen, setzt er sich vehement für eine friedliche Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt ein. Er gründete ein Komitee gegen Häuserzerstörungen in Palästina und hält Vorträge in ganz Europa. Im Zuge einer zehntägigen Deutschlandtour war er auf Einladung der „Palästina/Nahost-Initiative“ in die Volkshochschule gekommen, wo er vor fast 150 Menschen einen hitzigen Vortrag hielt.
Einen historischen Hintergrund des Konflikts wolle er geben, seine Arbeit gegen die Häuserzerstörung vorstellen und über Zukunftsperspektiven sprechen. „Wenn wir damit fertig sind, können wir frühstücken gehen“, witzelt der Kant-Weltbürger-Preisträger und steigt mit dem Osloer-Friedensprozess Anfang der 1990er Jahre ein. „Damals gab es die Chance auf Frieden. Obwohl die Palästinenser nur 22 Prozent der Landfläche bekommen hätten, war die PLO zu einer Zwei-Staaten-Lösung bereit. Israel hat diese Lösung aber zu keinem Zeitpunkt akzeptiert. Sie wollen das gesamte Land annektieren“, ist sich Halper sicher. Besonders den Bau von Siedlungen, Autobahnen und einer „Schutzmauer“ in der Westbank kritisiert er heftig und vergleicht sie mit der Berliner Mauer. „Unsere Mauer ist doppelt so hoch und fünfmal länger als es eure Mauer war. Sie ist nicht linear, sondern umzingelt Menschen in kleine Zellen“, klagt er an.
Noch emotionaler wird es, als er über seine Arbeit berichtet. Halper erzählt die Geschichte der Eheleute Salim und Arabia und deren sieben Kinder. Drei Mal beantragten sie bei den israelischen Behörden für je 5000 Euro den Bau ihres Hauses, dreimal lehnten diese mit der Begründung ab, dass der karge Boden landwirtschaftliche Nutzfläche sei. Schließlich baute Salim, wie so viele Palästinenser, das Haus illegal. Nach fünf Jahren tauchten eines Tages bewaffnete Beamte auf und gaben der Familie 15 Minuten, ihr Haus zu räumen. Das Haus wurde abgerissen und von Halpers Komitee wieder aufgebaut, nur um dann direkt wieder abgerissen zu werden. Insgesamt sechsmal lief das so – Ausgang ungewiss. Halpers Motiv für diesen Kampf: „Wenn das Haus hundertmal abgerissen wird, bauen wir es hunderteinmal wieder auf.“ Von den 187 Häusern, die seine Organisation wieder errichtet hat, stehen heute immerhin noch 175. Ein Nichts im Vergleich zu den 60 000 abgerissenen Häusern, aber für den Professor eine symbolische und friedensfördernde Tat, denn beim Hausbau würden sich israelische Aktivisten und palästinensische Bürger kennenlernen und sich näherkommen.
Dieses Näherkommen ist elementar für Halpers Vision. „Wenn es zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan nur eine Währung, ein Strom- und Autobahnnetz, eine Armee, und eine Autorität gibt, dann ist nur noch die Ein-Staaten-Lösung möglich.“ Dies müsse allerdings ein Staat mit demokratischem Charakter und gleichen Rechten für alle Bürger sein, betont Halper. „Ein rein jüdischer Staat funktioniert nicht bei gleichzeitiger Mehrheit der arabischen Bevölkerung.“ Von den morgigen Wahlen in Israel erwartet er nicht viel. Seine Hoffnung liegt in der westlichen Zivilgesellschaft. Ohne deren Unterstützung müsse Israel langfristig seine Politik verändern. Solange tourt er weiter, hält Vorträge und lässt sich an Häuser ketten. Der Strand muss warten.