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Artikel aus Electronic Intifada von Charlotte Silver 5. Juni 2016-06-28

Ein Palästinenser inspiziert die Ruinen eines Spielplatzes, der von der israelischen Armee im Dorf Zaatara (bei Nablus in der Westbank) am 12. April zerstört wurde. Der von Belgien finanzierte Spielplatz ist Teil der mehrere zehntausend Dollar teuren EU-finanzierten Infrastruktur, die Israel zerstört hat.

Ein 11 Millionen teures Landwirtschaftsprojekt im Jordantal, ein 61200 Dollar teurer Kinderspielplatz und eine Schule für die Beduinen östlich von Jerusalem: alles wurde von Israel zerstört.

Dies sind nur einige Beispiele von mindestens 150 EU-finanzierten Projekten in der besetzten Westbank, die Israel in den ersten drei Monaten 2016 zerstört hat.

Laut eines neuen Berichts von Euro-Med (Euro-Mediterranean Human Rights Monitor), hat Israel in dieser Zeit mehr Häuser, Firmen, öffentliche Infrastruktur zerstört als im gesamten Jahr 2015.

Jeden Monat wurden im Schnitt 165 privat oder international finanzierte Strukturen/Gebäude völlig oder teilweise zerstört, was eine mehr als dreifache Steigerung gegenüber der bisherigen Rate von 50 Zerstörungen pro Monat zwischen 2012 und 2015 darstellt.

Laut UN-Statistik sind über 900 Palästinenser dieses Jahr schon obdachlos geworden und Tausende wurden von der Welle der Zerstörung in Mitleidenschaft gezogen.

Euro-Med sagt, dass der UN-Vize-Koordinator für den Friedensprozess im Nahen Osten, Robert Piper, angedeutet hat, dass die Zunahme von Zerstörungen eine Antwort auf die Eskalation der Gewalt zwischen Palästinensern und den israelischen Besatzungstruppen, die im Oktober 2015 begann.

Aber der israelische Politiker Moti Yogev, er Druck auf die Besatzungsarmee machte, um die Zerstörungen zu beschleunigen, sagte, „Zweifellos ist die feste Haltung der Regierung teilweise eine Folge der einseitigen Maßnahmen der EU,“ wobei er sich auf die Entscheidung der EU vom letzten Jahr bezog, Siedlungsprodukte zu kennzeichnen.

Wenn dem so ist, können die Zerstörungen mit den „Price-Tag“-Angriffen auf Palästinenser und ihr Eigentum verglichen werden, die Siedlern ausführen als Rache für politische Maßnahmen, die sie nicht mögen.

EU Nichtstun

Laut Euro-Med Journalistin Cécile Davies mag die Diskrepanz in den Erklärungen daran liegen, dass EU-Offizielle das Ausmaß der israelischen Zerstörungen herunterspielen, weil es ihnen peinlich ist.

2012 legten Chris Davies, ein UK Mitglied des EU Parlaments und  Štefan Füle, der frühere Europäische Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, eine Liste von EU-finanzierten Projekten vor, die Israel in den ersten elf Jahren des neuen Jahrtausends zerstört hatte. Diese Liste mit 82 Fällen belief sich auf Verluste im Wert von 56 Millionen USD.

Aber seitdem halten die EU-Bürokraten die Zahlen geheim. Euro-Med schätzt den Gesamtverlust für die EU seit 2001 auf 74 Millionen Dollar. Etwa 26 Millionen davon gehen auf Zerstörungen während des Gaza-Bombardements 2014 zurück.

Europäische Diplomaten haben die Zerstörungen zwar verurteilt, aber sie haben bisher nicht die militärischen und wirtschaftlichen Handelsverträge infrage gestellt, die zwischen der EU und Israel existieren.

Letzten Monat z.B. kritisierte die EU den „bedauerlichen Trend zu Beschlagnahme und Zerstörungen seit Beginn dieses Jahres, auch bei humanitären Hilfsprojekten“, nachdem Israel die Zelte/Schutzräume von Beduinen östlich von Jerusalem zerstört hatte.

Aber die Erklärung enthielt keinerlei Hinweis auf irgendwelche Maßnahmen, um Israel zur Verantwortung zu ziehen.

Laut Haaretz wird die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini zunehmend unter Druck gesetzt, Israel mit der Zerstörung von EU-finanzierten Projekten zu konfrontieren.

Mogerini berichtete, dass einige EU-Mitglieder von Israel Entschädigungen verlangen.

Der EU-Gesandte, Botschafter Lars Faaborg-Andersen, warnte höhere israelische Beamte letzte Woche, dass die Beziehungen zwischen EU und Israel Schaden nehmen könnten, wenn die Zerstörungen bei diesem Umfang blieben.

Die EU-Mission in Tel Aviv antwortete nicht auf die Bitte von Electronic Intifada, doch zu kommentieren, was die Konsequenzen sein würden, wenn Israel die Zerstörungen nicht anhält.

Ein weiteres Treffen zwischen EU-Beamten und Israels Außenministerium ist für später in diesem Monat geplant, um einen Stopp der Zerstörungen von EU-finanzierten Projekten zu diskutieren.

Die Unmöglichkeit etwas aufzubauen

Hauszerstörungen geschehen zu einem überwiegenden Teil in der C-Zone, den 60% der besetzten Westbank, der nach der Oslo-Vereinbarung von 1993 unter völliger israelischer Kontrolle steht.

Mehr als 70% der Palästinenser in diesem Gebiet sind nicht an eine Wasserleitung angeschlossen. Zwischen 2000 und 2014 genehmigten die israelischen Behörden nur 1,5% der palästinensischen Bauanträge in der C-Zone.

Aber COGAT, die Besatzungsbehörde, die die Militärherrschaft über die Palästinenser in der C-Zone ausübt, besteht darauf, dass Zerstörungen Maßnahmen „gegen illegales Bauen“ sind.

Die rechte israelische Organisation Regavim hat die Sprache von internationalen Gruppen, die Israel kritisieren, übernommen indem sie EU Projekte in der Westbank als „illegales Bauen in der C-Zone“ bezeichnet.

Die EU macht Investitionen in der C-Zone gemäß ihres politischen Bekenntnisses, das sie „Zwei-Staaten-Lösung“ nennt.

Für dieses Ziel wurde die EU der größte Geldgeber an die Palästinensische Autonomiebehörde. Seit 1994 hat sie 6,3 Milliarden USD an diese Behörde geliefert, die nominell über Palästinenser in der Westbank und im Gazastreifen regiert.

Das meiste dieser Hilfe, die die EU an die PA leistet dient zur Unterstützung des täglichen Bedarfs: Gehälter der Angestellten und der Sicherheitskräfte.

Zwischen 2007 und 2015 überwies die EU 2,8 Milliarden für die Regierungsgeschäfte der PA. Seit 2000 hat die Europäische Kommission, die Exekutive der EU, 792 Millionen Dollar für humanitäre Bedürfnisse der palästinensischen Bevölkerung in der Westbank und im Gazastreifen zugeteilt.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben derweil weiter Rüstungsgeschäfte mit Israel gemacht.

Die französische Politikwissenschaftlerin Caroline du Plessix sagte Euro-Med: „Es gibt heute keinen palästinensischen Staat. Die Frage ist: Was bezuschussen wir? Helfen wir der israelischen Regierung, die Besatzung aufrechtzuerhalten oder helfen wir wirklich den Palästinensern, ihre Unabhängigkeit aufzubauen?“