Posted on November 1, 2017, von & gespeichert unter ICAHD Newsletter.


Amos Gvirtz


Von Amos Gvirtz

Die Richter des Amtsgerichtes von Beersheva haben in zwei Fällen, in denen der Staat Israel gegen Scheich Sayach Al-Turi und andere geklagt hatte, zugunsten des Staates entschieden.
Beim ersten Fall handelt es sich um eine Zivilklage: Richter Ido Rozin entschied, dass die Einwohner des Dorfes Al Araqib die Kosten zu tragen haben, die dem Staat durch die von letzterem durchgeführten ersten sechs Zerstörungen ihres Dorfes entstanden sind.
Beim zweiten Fall handelt es sich um eine Strafsache (eine Sammelklage von 19 Fällen): Richter Joav Atar entschied, dass Scheich Sayach Al Turi unbefugt das Land von Al Araqib betreten habe.
Ich bin kein Rechtsexperte und ich maße mir nicht an, darüber zu urteilen, ob die Richter im Einklang mit dem Gesetz entschieden haben(das ist die Aufgabe eines eventuellen Berufungsverfahren, das die Beklagten ggf. anstrengen werden, um zu beweisen, dass das Recht auf ihrer Seite ist). Ich vertraue darauf, dass die Richter ihre Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen, in Einklang mit den geltenden Gesetzen, erledigt haben.
Allerdings bin ich der Auffassung, dass das Gesetz selbst gegen Gerechtigkeit und Moral verstößt.
Die Knesset hat eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, durch die eine Situation geschaffen wird, in der ein ganzes Volk, dessen einziges Vergehen darin besteht, dass sie Beduinen (oder Palästinenser) sind, den größten Teil ihres Landes verloren haben.
Dies ist die Geschichte:
1905 kaufte Scheichs Sayach Al Turi’s Urgroßvater Land von Al Uqbi Stamm. Seine Familie siedelte auf dem Land. Mit der Zeit errichtete die Familie einen kleinen Friedhof auf einem kleinen Teil dieses Landes, auf dem sie bis heute ihre Toten beerdigen. Das Land wurde von Generation zu Generation weiter vererbt.
Im Jahre 1952 informierte der Militärgouverneur den damaligen Scheich darüber, dass die Armee die Absicht habe, Manöver in der Gegend durchzuführen. Zu ihrer eigenen Sicherheit sei es daher notwendig, dass sie auf das benachbarte Land des Al Huzayel Stammes ziehen. Der Gouverneur versprach, dass sie nach einem halben Jahr, wenn die Manöver beendet seien, wieder auf ihr Land zurückkehren könnten.
Als die Zeit verstrichen war und der Stamm zurückkehren wollte, wurde ihnen vom Militärgouverneur mitgeteilt, dass sie Pacht zu bezahlen hätten, wenn sie ihr Land zurückbekommen wollten. Natürlich kamen sie dieser Forderung nicht nach.
Anscheinend hatte die Knesset zu dieser Zeit (1953) das Landerwerbsgesetz verabschiedet. Unter anderem besagte es, dass Land, das über eine gewisse, gesetzlich festgeschriebene Zeit nicht bebaut worden war, automatisch in Staatsbesitz überging. Ein Gesetz also, das Landraub legalisierte.
Die Familie kehrte schließlich auf ihr Land zurück, bepflanzte es intensiv und hütete dort ihre Schafherden.
Die israelischen Gerichtshöfe müssen ihre Urteile auf der Basis existierenden Rechts fällen. Wenn allerdings diese Gesetze Landraub legitimieren, dann sind die Urteile solcher Gerichte notwendigerweise gegen Recht und Moral. Diese Geschichte ist keine Singularität: Der Staat benutzte dieselbe Taktik gegenüber anderen Stämmen in der Gegend von Al Araqib und in anderen Gegenden des Negev. Sie wurden von ihrem Land vertrieben, bis die Manöver der Armee beendet waren, und auf der Basis der Gesetzes über Landerwerb (1953) raubte ihnen anschließend der Staat ihr Land. Um die rechtliche Basis dieses Landraubes zu stärken, haben die israelische Regierung und ihre Gerichtshöfe die Tatsache ausgenutzt, dass der Landbesitz bei den Beduinen immer auf dem traditionellen Gewohnheitsrecht beruhte. Die israelische Regierung erkennt dieses traditionelle Gewohnheitsrecht einfach nicht an und akzeptiert nur Landbesitz, der im Grundbuch der Ottomanischen Landregistrierung nachgewiesen werden kann. Da aber die große Mehrheit der Beduinen ihr Land nicht hatte registrieren lassen, bot sich hier ein weiterer ‚legaler’ Weg, auf dem man ihnen ihr Land wegnehmen konnte. Jüdische und zionistische Gruppierungen, die vor 1948 Land von den Beduinen nach dem Gewohnheitsrecht gekauft hatte, hatten dieses anschließend bei der Landregistrierungsbehörde eintragen lassen.
Normalerweise ist es so, dass, wenn ein Raub stattfindet, die Polizei versucht, den Täter festzusetzen und das gestohlene Gut dem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. In diesem Falle jedoch hat die Weigerung der Familie, den Diebstahl ihres Landes zu akzeptieren, sie vor dem israelischen Gesetz zu Kriminellen gemacht. Das nenne ich Kriminalisierung des Opfers! Und die Polizei, anstatt den Bürger gegen den Diebstahl seines Besitzes zu schützen, verfolgt das Opfer des Diebstahls.
Und, um das Ganze nur noch schlimmer zu machen, müssen die Opfer nun den Täter für die Zerstörung ihres eigenen Dorfes, in das sie illegal zurückgekehrt waren, bezahlen.
Die israelischen Gerichte müssen Recht sprechen auf der Basis der geltenden Gesetze. Wenn es allerdings die Absicht der Gesetze ist, Landdiebstahl zu legitimieren, dann verstößt die Rechtsprechung gegen Gerechtigkeit und Moral.