Pressemeldung vom 1. Juni
Wie Amnesty International im Vorfeld der erwarteten Ankunft von Bulldozern am 1. Juni 2018 und nachdem der Abriss durch dein Obersten Israelischen Gerichtshof in der vergangenen Woche autorisiert worden war erklärte, müssen die israelischen Behörden ihre Pläne zum Abriss des palästinensischen Beduinendorfes Khan al-Ahmar und die Zwangsvertreibung der dort lebenden Gemeinschaft unverzüglich stoppen.
Die Einwohner des Dorfes sollen an einen Ort in der Nähe der ehemaligen Städtischen Mülldeponie von Jerusalem nahe des Dorfes Abu Dis umgesiedelt werden.
„Die ungeheuerliche Entscheidung des Obersten Gerichtshof aus der letzte Wochen, der israelischen Armee zu erlauben, das gesamte Dorf Khan al-Ahmar abzureißen, war für die Familien, die fast ein Jahrzehnt lang für ihr Dorf zu Felde gezogen sind und einen Rechtsstreit um ihr Land und den Erhalt ihrer Lebensweise geführt haben, ein verheerender Schlag. Den Abriss voranzutreiben, ist nicht nur eine Grausamkeit, es würde auch auf eine Zwangsumsiedlung hinauslaufen, was als Kriegsverbrechen gilt“, sagte Amnesty Internationals stellvertretende Leiterin der Abteilung Nahost und Nordafrika Magdalena Mughrabi.
Khan al-Ahmar wird von rund 180 Menschen des Stammes der Jahalin-Beduinen bewohnt. Es liegt östlich von Jerusalem und ist von mehreren illegalen israelischen Siedlungen umgeben.
Die Mitglieder des Jahalin-Beduinenstammes kämpfen seit über 60 Jahren darum, ihre Lebensweise aufrecht zu erhalten. Seit der Zwangsvertreibung aus ihren Ländereien in der Negev/Naqab-Wüste in den 1950er Jahren unter sind sie von den aufeinanderfolgenden israelischen Regierungen kontinuierlich schikaniert, unter Druck gesetzt und umgesiedelt worden.
Ende August 2017 verkündetet der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, dass die israelische Regierung die gesamte Gemeinschaft innerhalb weniger Monate evakuieren werde. Am 24. Mai dieses Jahres entschied der Oberste Israelische Gerichtshof zugunsten eines Abrisses des gesamten Dorfes Khan al-Ahmar, einschließlich der Schule, die aus Gummireifen gebaut ist und rund 170 Kindern aus fünf verschiedenen Beduinengemeinschaften schulische Bildung vermittelt.
Das Gericht befand, dass das Dorf ohne entsprechende Baugenehmigungen errichtet worden sei, obwohl es für Palästinenser_innen unmöglich ist, in den von Israel kontrollierten Gebieten des Westjordanlandes, die als Zone C bekannt sind, eine Baugenehmigung zu erhalten.
„Die israelischen Behörden haben das Leben Tausender Palästinenser_innen niedergeschmettert und Männer, Frauen und Kinder durch ihre zutiefst diskriminierende Politik, den Menschen erst die Baugenehmigungen zu verweigern und dann ihre Wohnhäuser, Schulen und Gebäudestrukturen zur Herdentierhaltung mit Bulldozern niederzureißen, Jahren der Traumatisierung und Angstzustände ausgesetzt“, sagte Magdalena Mughrabi.
„Anstatt Palästinenser_innen ständig dafür zu bestrafen, dass sie ohne Baugenehmigung bauen, müssen die israelischen Behörden ihren eigenen Bau und Ausbau von illegalen israelische Siedlungen im Westjordanland stoppen – als ersten Schritt in Richtung eines Abzugs der israelischen Zivilisten, die in solchen Siedlungen leben.“
„Das Urteil des Obersten Gerichtshof ist äußerst gefährlich und könnte zu einem Präzedenzfall für weitere Gemeinschaften werden, die sich den israelischen Plänen, sie in urbane Zentren umzusiedeln, widersetzen. Die israelischen Behörden müssen sich an ihre internationalen rechtlichen Verpflichtungen halten und ihre sämtlichen Pläne zur zwangsweisen Umsiedlung von Khan al-Ahmar und anderen Gemeinschaften aufgeben.“
Hintergrund
Khan al-Ahmar liegt rund zwei Kilometer südlich der Siedlung Kfar Adumin im besetzten Westjordanland.
Die dort lebende Beduinengemeinschaft hat unter der immer wieder aufkommenden Gewalt israelischer Siedler zu leiden, die sich auch gegen ihre Kinder richten und ihre Wohnunterkünfte attackieren. Israels Behörden weigern sich, das Dorf and die Wasser- und Stromversorgung anzuschließen und haben dessen Weidelandflächen stark eingeschränkt.
Seit dem Jahr 2009 kämpfen die Einwohner von Khan al-Ahmar gegen die bestehenden Abrissanordnungen für Gebäude und Strukturen, einschließlich ihrer „Reifenschule“. Im selben Jahr legten Einwohner der nahen israelischen Siedlungen Kfar Adumin, Alon und Nofei Prat beim Obersten Israelischen Gerichtshof eine Petition ein, durch die der israelischen Armee die Umsetzung der bestehenden Abrissanordnungen erlaubt werden sollte.
Khan al-Ahmar ist eine von 46 palästinensischen Gemeinden im Westjordanland, für die aufgrund israelischer Umsiedlungspläne und durch den Druck, der auf die Einwohner ausgeübt wird, das Gebiet zu verlassen, in Gefahr sind, zwangsweise an andere Orte transferiert zu werden. Diese Gemeinschaften befinden sich alle in dem Gebiet, das nach den Osloer Vereinbarungen, die im Jahr 1993 von Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation unterzeichnet wurden, als Zone C ausgewiesen ist. In diesen Gebieten – mehr als 60% der besetzten Westbank – hat die israelische Armee über die vollständige Kontrolle über die Sicherheit inne und die israelische Zivilverwaltung, trotz der anders klingenden Bezeichnung eine reine Militäreinrichtung, kontrolliert die Raumplanung und Bebauungspläne.
Erst kürzlich kündigte die israelische Armee neue Pläne zum Abriss der Dörfer Ein al-Hilweh und Umm Jamal im Jordantal sowie Jabal al-Baba, das östlich von Jerusalem liegt an. Außerdem soll ein Fünftel der Gebäude des palästinensischen Dorfes Susiya in den südlichen Hügeln von Hebron abgerissen werden.
Israels Vorgehensweisen der Ansiedlung israelischer Zivilisten in den besetzten palästinensischen Gebieten, der bewussten Zerstörung von Grundeigentum und des zwangsweisen Transfers von Palästinenser_innen, die unter Besatzung leben, verstoßen gegen die Vierte Genfer Konvention und sind im Römischen Statut über den Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrechen aufgeführt.
Seit dem Jahr 1967 hat Israel ganz Gemeinschaften zwangsweise geräumt und vertrieben und mehr als 50.000 palästinensische Wohnhäuser und Gebäudestrukturen abgerissen.
ENDE