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Index: MDE 15/3824/2016
12. April 2016
Wie Amnesty International heute erklärte, müssen die israelischen Behörden ihre seit Langem bestehenden Attacken gegen palästinensische Menschenrechtsverteidiger (HRDs / Human Rights Defenders) stoppen und das Klima der Einschüchterung von Personen und Gruppen, die in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten (OPT / Occupied Palestinian Territories) für Menschenrechte eintreten, beenden. Stattdessen sollten Israels Behörden sofortige Schritte unternehmen, um den notwendigen Schutz für Menschenrechtsverteidiger in Israel und den OPT bereitzustellen, so dass diese ihrer Arbeit frei und ohne Angst vor Übergriffen und Schikanen nachgehen können. Angriffe und Drohungen gegen Menschenrechts- verteidiger müssen untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Eine Eskalation von Einschüchterungsversuchen seitens der Regierung und von Übergriffen und Drohungen durch israelische Siedler und andere nichtstaatliche Akteure haben eine zunehmend gefahrvolle Umgebung für Verteidiger von Menschenrechten in Israel und den OPT geschaffen. Der Staat Israel verstößt regelmäßig gegen die Rechte von Palästinensern auf freie Meinungsäußerung und Versammlungs-freiheit in den OPT und geht gezielt gegen Menschenrechtsverteidiger vor, auch durch willkürliche Inhaftierungen und Festnahmen, Freiheitsentzug, Verletzungen und Folterungen. Außerdem zeigen sich die israelischen Behörden nicht in der Lage, Menschenrechtsverteidiger vor Attacken durch israelische Siedler und andere rechtsextreme Aktivisten zu schützen. In einigen Fällen machten sie sich sogar zu Komplizen von Übergriffen gegen palästinensische Menschenrechtler. Darüber hinaus hat Israel diverse Schritte unternommen, um die Meinungsfreiheit im Land zu beschneiden, wobei offizielle Vertreter der israelischen Regierung mit gezielten Einschüchterungen gegen Menschenrechtler vorgegangen sind. Die jüngsten Gesetzesinitiativen, die offenkundig zur Einschränkung der freien Meinungsäußerung angestrengt wurden, gehen Hand in Hand mit einer sich ständig verdüsternden öffentlichen Stimmung gegen all jene Personen und Gruppen, die Kritik an der israelischen Regierung üben, und wirken sich immer mehr auch auf jüdische israelische Kritiker der Regierung und ihrer Praktiken aus.
EINSCHÜCHTERUNGSVERSUCHE DER ISRAELISCHEN REGIERUNG GEGEN OMAR BARGHOUTI
Am 28. März 2016 fand in Jerusalem eine Konferenz gegen Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen (BDS /Boycott, Divestment and Sanctions) statt. Während dieser Tagung riefen israelische Minister zu Maßnahmen auf, die als konkrete Androhungen, auch von körperlicher Gewalt und dem Entzug von Grundrechten zu verstehen waren. Infolgedessen ist Amnesty International jetzt in Sorge um die Sicherheit und Freiheit des palästinensischen Menschenrechtsverteidigers Omar Barghouti und anderer Aktivisten der Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen Bewegung (BDS). Omar Barghouti ist Gründungsmitglied und offizieller Sprecher der BDS-Bewegung. Er kämpft dafür, dass Israel für Menschenrechtsverletzungen und andere Verstöße gegen das Internationale Völkerrecht zur Verantwortung gezogen wird und steht dabei für die Anwendung rein gewaltloser Mittel. In Kommentaren und Stellungnahmen von Konferenzteilnehmern, darunter auch Regierungsminister, wurde er persönlich attackiert und unter anderem als eine Bedrohung hingestellt, die gestoppt werden müsse.
In besonders beunruhigender Weise äußerte sich der israelische Minister für Transportwesen, Spionage und Atomenergie Yisrael Katz. Er forderte den Staat Israel auf, mit Hilfe der israelischen Geheindienste „gezielte zivile Eliminierungen“ von BDS-Führern vorzunehmen. Diese Formulierung erinnert an den Begriff „gezielte Tötung“, der für die israelische Praxis des gezielten Vorgehens gegen Mitglieder bewaffneter palästinensischer Gruppen verwendet wird. Andere Regierungsminister wie Gilad Erdan, der Minister für Öffentliche Sicherheit, Strategische Angelegenheiten und Information, stellten BDS-Aktivisten und ihre Führer als Bedrohungen dar und forderten, dass diese „den Preis“ für ihre Tätigkeit „zahlen“ müssten, was Erdan gleich darauf mit der Erklärung relativierte, dabei nicht an „körperliche Gewalt“ gedacht zu haben. Auch Innenminister Ariah Deri stimmte in den Chor mit ein und erklärte, darüber nachzudenken, Omar Barghouti den ständigen Wohnsitz in Israel abzuerkennen und ihm das Recht auf Reisefreiheit zu entziehen. Omar Barghouti selbst sagte Amnesty International, dass er sich erhebliche Sorgen um seine Sicherheit und die Sicherheit seiner Familie mache.
Minister der Regierung und andere offizielle Regierungsvertreter tragen eine besondere Verantwortung darin, die nachteiligen Konsequenzen gründlich abzuwägen, die entstehen können, wenn Menschenrechtsverteidiger als Sicherheitsrisiko dargestellt werden, weil sie ihrer friedlichen und legitimen Arbeit nachgehen. Angesichts der zunehmend gefahrvollen Umgebung, in der sich Menschenrechtsverteidiger in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten bewegen und arbeiten, unter beständigen Drohungen und Attacken von staatlicher Seite, durch israelische Siedler und andere rechtsextreme Aktivisten, werden solche öffentlichen Aussagen zu einem starken und gefährlichen Echo führen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Omar Barghouti mit Drohungen und Einschüchterungen konfrontiert ist; die aktuellen Stellungnahmen sind jedoch die bislang schwer-wiegendsten, weil sie von offiziellen Vertretern der israelischen Regierung kommen. Die Minister der israelischen Regierung tragen eine Mitverantwortung dafür, dass die Menschenrechte in Israel aufrechterhalten werden und sollten hetzerische Bemerkungen gegen Omar Barghouti und andere Menschenrechtsverteidiger zu vermeiden wissen, und sie sollten auch die Androhung zurücknehmen, Omar Barghoutis Reisefreiheit willkürlich einzuschränken und ihm seinen ständigen Wohnsitz in Israel zu entziehen.
TODESDROHUNGEN GEGEN IMAD ABU SHAMSIYEH
Am 24. Februar 2016 filmte Imad Abu Shamsiyeh, ein palästinensischer Einwohner von Tel Rumeida in Hebron, die offenkundig außergerichtliche Exekution von Abed al-Fatah al-Sharif durch einen israelischen Soldaten. Die israelische Menschenrechtsorganisation B’tselem brachte das Video an die Öffentlichkeit, was zur Verhaftung des Soldaten führte. Der Fall wird derzeit noch weiter untersucht. Seit der Veröffentlichung der Aufnahmen berichtet B’Tselem, dass Imad Abu Shamsiyeh über Telefonanrufe und per SMS Todesdrohungen von Israelis erhalten hat, die in den nah gelegenen illegalen Siedlungen leben. Israelische Siedler haben auch das Haus von Imad Abu Shamsiyeh mit Steinen beworfen. Weil er Verstöße mit seiner Kamera dokumentiert, wurde Imad Shamsiyeh schon früher bei zahlreichen Gelegenheiten von in der Nähe lebenden israelischen Siedlern attackiert. Das Palästina-Nachrichten-Netzwerk (PPN / Palestine News Network) berichtet außerdem, dass israelische Soldaten in der Nacht vom 29. März 2016 Imad Abu Shamsiyehs Wohnhaus durchsuchten, offenbar um die Identitäten der lokalen und internationalen Menschenrechtsverteidiger festzustellen, die sich wegen der Drohungen zum Schutz von Imad Abu Shamsiyeh dort aufhielten. Die israelischen Behörden müssen diejenigen, die Imad Abu Shamsiyeh bedroht und attackiert haben, unverzüglich zur Rechenschaft ziehen und ihn vor weiteren Übergriffen schützen.
TODESDROHUNGEN GEGEN DIE BELEGSCHAFT DER MENSCHENRECHTSORGANISATION AL-HAQ
Al-Haq ist eine der prominentesten und angesehensten Nichtregierungsorganisationen für die Menschenrechte in Palästina. In den letzten Monaten wurde sie – zusammen mit anderen palästinensischen NGOs – das Ziel einer anhaltenden Kampagne, deren Absicht darin besteht, die Arbeit dieser Organisationen durch anonyme Telefonanrufe und Emails zu untergraben. Im Februar und März 2016 erhielten ein Mitglied der Belegschaft und der Leiter von Al-Haq eine Serie von Todesdrohungen. Diese stehen in direktem Zusammenhang damit, dass al-Haq mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kooperiert. Es ist das Recht von Al-Haq, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten und sich für die Klärung von Verantwortlichkeiten einzusetzen, und dieses Recht muss respektiert werden. Dementsprechend sollten die zuständigen israelischen Behörden den ungeheuerlichen Drohungen nachgehen und diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die sie ausgesprochen haben.
DIE FESTNAHME UND INHAFTIERUNG VON ISSA AMRO UND FARID AL-ATRASH
Nach einer friedlichen Demonstration in Hebron, die zur Aufhebung der diskriminierenden Einschränkungen in ihrer Stadt aufrief, wurden die palästinensischen Menschenrechtsverteidiger Issa Amro und Farid al-Atrash am 26. Februar 2016 willkürlich von den israelischen Behörden in Haft genommen. Beide wurden vor einem Militärgericht angeklagt und später freigelassen. Amnesty International ist davon überzeugt, dass die beiden Menschenrechtaktivisten allein deswegen verhaftet und angeklagt wurden, weil sie ihre Rechte auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.
Am 26. Februar 2016 organisierten palästinensische Einwohner und Aktivisten in der Stadt Hebron in der besetzten Westbank einen gewaltlosen Protestmarsch, um an die 22 Jahre zu erinnern, die vergangen sind, seit die al-Shuhada-Straße in der Altstadt zum ersten Mal von den israelischen Behörden abgeriegelt wurde, und um zur Aufhebung der diskriminierenden Einschränkungen in der Stadt aufzurufen. Israelische Truppen begegneten der Demonstration mit exzessiver Gewalt, warfen Lärmschockgranaten in die Menge und feuerten Tränengas auf sie ab. Der Anwalt Farid al-Atrash wurde zusammen mit einem Fotojournalisten festgenommen. Während der Fotoberichterstatter nach einigen Stunden wieder auf freien Fuß kam, wurde Farid al-Atrash vor einen Militärgerichtshof in der Militärbasis Ofer in der Nähe von Ramallah gebracht und wegen Teilnahme an einer illegalen Demonstration und Angriffen auf Polizeibeamte angeklagt. Videoaufnahmen von der Verhaftung zeigen wie Farid al-Atrash friedlich vor den Soldaten steht, bis er von einer Reihe von Soldaten geschubst und gestoßen und dann gewaltsam verhaftet wird. Am Dienstag, dem 1. März 2016, kam er auf Kaution frei und wartet jetzt darauf, dass der Termin für seine erste Anhörung vor Gericht bestätigt wird.
Der palästinensische Menschenrechtsaktivist Issa Amro, dessen Gruppe Jugend gegen Siedlungen (Youth Against Settlements) die Demonstration organisiert hatte, wurde am Nachmittag des 29. Februar 2016 vor seinem Haus im Stadtteil Tel Rumeida von der israelische Armee verhaftet und vor einem Militärgerichtshof wegen der Organisation einer illegalen Demonstration und wegen Aufwiegelei angeklagt. Am 1. März 2016 kam er aus der Haft frei und wartet nun auf seinen Prozess. Der Termin für denselben steht noch nicht fest. Amnesty International ist überzeugt, dass sowohl Issa Amro als auch Farid al-Atrash nur wegen der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit verhaftet worden sind.
DIE FESTNAHME UND INHAFTIERUNG VON KHALIDA JARRAR
Die palästinensische Parlamentarierin und Menschenrechtsverteidigerin Khalida Jarrar wurde nach einem unfairen Verfahren vor einem Militärgerichtshof am 6. Dezember 2015 zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt. Während des Prozesses stellte sich heraus, dass die Untersuchungshaft – und ebenso die Anwendung der Administrativhaft gegen Khalida Jarrar – nur dazu zu benutzt worden waren, Khalida Jarrar zu bestrafen und sie darauf zu drängen, einen Schuldeingeständnisvergleich zu akzeptieren. Sie bekannte sich schließlich in zwei Anklagepunkten schuldig, weil sie nicht glaubte, dass sie jemals ein faires Verfahren erhalten würde. Allerdings legten die israelischen Behörden nach Aussage der Anwälte von Khalida Jarrar keinerlei Beweise zur Stützung ihrer Anschuldigungen vor. Amnesty International glaubt, dass die Inhaftierung von Khalida Jarrar, das Verfahren gegen sie und ihre Verurteilung offenbar Strafmaßnahmen sind, die sie in ihrem Recht auf freie und friedliche Meinungsäußerung unterdrücken sollen.
EINSCHÜCHTERUNGSVERSUCHE DER ISRAELISCHEN REGIERUNG GEGEN BREAKING THE SILENCE
Breaking The Silence (Das Schweigen brechen) ist eine von israelischen Soldaten gegründete israelische Organisation, deren Ziel darin liegt, die israelische Öffentlichkeit über israelische Militärpraktiken in den besetzten palästinensischen Gebieten aufzuklären, auch über solche Vorgehensweisen, die missbräuchlich oder kriminell sind. Seit Dezember 2015 wird die Organisation mit einer konzertierten Regierungskampagne überzogen, die ihre Arbeit untergraben soll. Am 14. Dezember 2016 verbot Israels Verteidigungsminister Breaking The Silence vor israelischen Soldaten zu sprechen. Danach erfolgte ein Verbot von Vorträgen vor Schülern an weiterführenden israelischen Schulen durch den Bildungsminister Naftali Bennett, welches am 15. Dezember 2016 in Kraft gesetzt wurde. Beide Minister beschuldigen die Organisation, „Lügen“ über die israelische Armee zu verbreiten, entgegen der Tatsache, dass in keiner der Zeugenaussagen, die Breaking The Silence veröffentlicht hat, jemals auch nur der geringste Beweis für eine Falschaussage gefunden wurde.
Am 16. Dezember 2016 behauptete Israels Premierminister Benjamin Netanyahu in der Knesset, dass die Organisation „das Bild der Soldaten der IDF in der Welt beschmutzt und versucht, Israel in seinem Bemühen um Selbstschutz, die Hände zu binden“. Diese Aussage fand gleichzeitig mit der Veröffentlichung eines Videos durch eine NGO statt, die der israelischen Regierung nahe steht. In dem Film wird behauptet, dass Yuli Novak, der Direktor von Breaking The Silence, ein ausländischer Agent sei, dessen Tätigkeit der Unterstützung von „Terroristen“ diene. (Eine Reihe weiterer Führungsmitglieder bekannter israelischer NGOs wurde in dem Video ebenfalls gezeigt)
Am 17. März 2016 strahlte ein israelisches Fernsehprogramm eine Sendung aus, in der gezeigt wurde, wie Researcher von Breaking The Silence im Rahmen ihres Interviewverfahrens Fragen in Bezug auf israelische Militäreinsätze und Militärausstattung stellten. Die Aufnahmen waren heimlich und verdeckt durch eine der Siedlerszene zuzurechnende, regierungsnahe Gruppe gemacht worden und führten zu scharfen Verurteilungen von Breaking The Silence durch den israelischen Premierminister Netanyahu und andere Regierungsvertreter. Der Verteidigungsminister bezeichnete die Gruppe am 21. März 2016 als „Verräter“, relativierte diese Aussage aber später.
Eine vorläufige Untersuchung der israelischen Armee befand, dass die Gruppe keine Informationen eingeholt hatte, die mit einer höheren Geheimhaltungsstufe als „vertraulich“ gekennzeichnet waren, wobei „vertraulich“ als eine niedrige Stufe der Geheimhaltung gilt. Breaking The Silence hob hervor, dass alle durch die Gruppe veröffentlichten Informationen zunächst die Zensur des Militärs hatten durchlaufen müssen, bevor sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Die Sammlung von Informationen über militärisches Equipment, Operationspraktiken und Einsätze ist ein maßgebliches Bestandteil der Analyse von Vorgehensweisen bei Militäroperationen und notwendig, um beurteilen zu können, ob diese mit dem Internationalen Humanitären Völkerrecht und den Menschenrechts-standards in Einklang stehen.
Der rüde Ton und die Häufigkeit der gegen Breaking The Silence gerichteten Beschimpfungen durch Vertreter der Regierungsspitze stimmen nicht mit deren Verantwortlichkeiten überein und scheinen darauf abzuzielen, die Organisation einzuschüchtern und Soldaten davon abzubringen, mit Vertretern von Breaking The Silence zu sprechen. Die israelische Regierung sollte Verfechter von Menschenrechten für die Arbeit, die sie leisten, nicht als Bedrohung für die Sicherheit Israels portraitieren. Das Klima, das durch diese Stellungnahmen von Regierungsseite geschaffen wurde, scheint auch bei den Drohungen und Schikanen eine Rolle gespielt zu haben, die einzelne Israelis gegen Mitarbeiter von Breaking The Silence und ihre Familien gerichtet haben. Die israelische Regierung muss ihre Einschüchterungsversuche gegen Breaking The Silence sofort beenden, und sie sollte explizit das Recht von einzelnen Personen und Organisationen anerkennen, jegliche Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und dafür zu arbeiten, dass Verstöße in Israel und auch im Ausland ans Tageslicht gebracht werden. Den Drohungen und Schikanen, denen Mitarbeiter von Breaking The Silence und ihre Familien ausgesetzt sind, müssen sie nachgehen und die dafür verantwortlichen Personen vor Gericht stellen.
ISRAELISCHE GESETZE, DIE AUF EINE BESCHNEIDUNG DER MEINUNGSFREIHEIT ABZIELEN
In den letzten Jahren haben die israelischen Behörden eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, durch die der Spielraum für oppositionelle Aktivitäten gegen die Politikstrategien und Aktionen der israelischen Regierung eingeschränkt wurde. Dazu zählt unter anderem ein Gesetz, dass Organisationen, die Erinnerungsarbeit für die Nakba (Katastrophe) betreiben, jede Finanzierung vonseiten der israelischen Regierung verwehrt. Der Begriff Nakba (Katastrophe), bezeichnet die massenhafte Vertreibung von Palästinensern, die sich im Jahr 1948 während der Gründung des Staates Israel ereignet hat. Durch ein anderes Gesetz gilt der Aufruf zum Boykott israelischer Institutionen oder Firmen in Reaktion auf Israels Besatzung oder seine illegalen Siedlungen durch israelische Staatsbürger oder Einrichtungen nunmehr als „zivilrechtliches Delikt“.
Darüber hinaus befinden sich einige Gesetzesvorlagen noch in der Entscheidungsphase, die offenbar darauf abzielen, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken. Am 24. Februar 2016 gab das israelische Justizministerium seine vorläufige Zustimmung zum „Kulturloyalitätsgesetz (Loyalty in Culture Bill)“, das der Regierung die Befugnis erteilen würde, kulturellen Aktivitäten und Projekten, die „den Prinzipien des Staates Israel widersprechen“ rückwirkend die Finanzierung zu entziehen. Das Gesetz hat jetzt die Phase der ersten Lesung in der Knesset, dem israelischen Parlament, erreicht. Am 1. Februar stimmte die israelische Knesset in erster Lesung dem so genannten „NGO-Transparenz-Gesetz (NGO Transparency Bill) “ zu, durch das allen Organisationen, die mehr als 50% ihrer Finanzierung von ausländischen Regierungen erhalten, neue Berichterstattungspflichten über ihre Finanzierung auferlegt werden. Das würde sich nachteilig auf die meisten israelischen Organisationen auswirken, die sich im Detail mit Menschenrechts-verletzungen in Israel und den OPT befassen und/oder der israelischen Besatzung kritisch gegenüber stehen. Israelische Rechtsgruppen argumentieren, dass dieses Gesetz unfair und diskriminierend sei, weil sie ihre Finanzierungsquellen ohnehin auch jetzt schon offen legen müssen und weil das Gesetz die große Mehrheit der regierungsnahen NGOs nicht antastet – deren Finanzierung stammt weitenteils aus privaten Quellen (für die auch jetzt schon geringere Anforderungen gelten). Amnesty International befürchtet, dass es bei dem Gesetz weniger um die Transparenz als um eine politisch motivierte Stigmatisierung von Organisationen geht, die Strategien und Praktiken der israelischen Regierung kritisch gegenüber stehen oder diese ablehnen. Ein solches Gesetz scheint wie gemacht dafür, eine abschreckende Wirkung auf die Wahrnehmung der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit in Israel auszuüben. Die israelische Regierung sollte ihre Unterstützung für diese Gesetze beenden und klarstellen, dass Kritik an ihr selbst oder an ihren politischen Strategien ein unveräußerliches Bestandteil des Rechts auf Meinungsfreiheit ist und dass es durchaus legitim ist, wenn Menschenrechts-organisationen auch im Ausland nach Quellen zur Finanzierung ihrer Arbeit suchen.
Öffentliches Dokument