Vorstellung des Berichts am 22. Juni 2015 in Genf: © AFP/Getty Images
22. Juni 2015 – Die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Untersuchungskommission zum bewaffneten Gaza-Konflikt 2014 hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Amnesty International begrüßt ihn als wichtigen Schritt auf dem Weg zu Gerechtigkeit für die Menschen, die auf beiden Seiten Opfer von möglichen Kriegsverbrechen und anderen schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts wurden.
„Dieser Bericht ist für alle Opfer und ihre Familien ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit. Zudem deckt er sich mit den umfassenden Recherchen, die Amnesty International zu dem Konflikt durchgeführt hat. Unsere Organisation kam dabei zu dem Ergebnis, dass beide Seiten zahlreiche schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen begangen haben. Der Bericht ist eine willkommene unabhängige Bestätigung dieser Ergebnisse“, so Philip Luther, Direktor des Programms für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
„Die Beweise sind überwältigend. Jetzt müssen sich die Mitglieder und Beobachterstaaten des UN-Menschenrechtsrats mit den Ergebnissen und Empfehlungen der Untersuchungskommission ernsthaft auseinandersetzen, davon absehen, die Kommission oder deren Bericht zu politisieren, und dafür sorgen, dass der Rat alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Darüber hinaus müssen die israelischen und palästinensischen Behörden im Hinblick auf die im Januar eingeleiteten Untersuchungen mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenarbeiten. Alle Staaten müssen die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu den besetzten palästinensischen Gebieten aktiv unterstützen, wie es die Untersuchungskommission empfiehlt.“
Aus dem Bericht der Untersuchungskommission geht hervor, dass sowohl die israelischen Streitkräfte als auch bewaffnete palästinensische Gruppen während des Konflikts 2014 schwerwiegende Verletzungen internationaler Rechtsnormen begangen haben, zu denen möglicherweise auch Kriegsverbrechen gehörten.
Die Kommission wurde im Juli 2014 vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzt. Sie untersuchte sowohl die israelische Militäroperation im Gazastreifen und die Aktivitäten Israels im Westjordanland einschließlich Ostjerusalem, als auch die Aktivitäten von bewaffneten palästinensischen Gruppen in Gaza, zu denen auch Angriffe auf Israel gehörten.
Amnesty International hat die israelischen und palästinensischen Behörden bereits mehrfach dazu aufgefordert, mit der Untersuchungskommission und eventuellen vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Nachfolgemechanismen zusammenzuarbeiten.
Israelische Amtsträgerinnen und Amtsträger, darunter auch Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, hatten wiederholt erklärt, die Untersuchungskommission sei voreingenommen gegenüber Israel. Die israelische Regierung legte im vergangenen Jahr einen eigenen Bericht zum Konflikt von 2014 vor und versicherte, dass die israelischen Streitkräfte in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht gehandelt hätten. Israel hinderte Mitglieder der Untersuchungskommission und internationaler Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International außerdem daran, in den Gazastreifen zu reisen.
In einer Reihe von Berichten, die Amnesty International seit dem bewaffneten Konflikt 2014 veröffentlicht hat, sind mögliche Kriegsverbrechen und andere schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts dokumentiert worden, die sowohl von den israelischen Streitkräften als auch von bewaffneten palästinensischen Gruppen begangen wurden. Unter anderem hat Amnesty International rechtswidrige Tötungen von Zivilisten, die Zerstörung von zivilen Einrichtungen und weitere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert.
Die Organisation hat Berichte veröffentlicht, in denen Angriffe Israels auf Wohnhäuser, wichtige Gebäudekomplexe, Krankenhäuser und medizinisches Personal im Gazastreifen dokumentiert wurden. Jeder dieser Berichte umfasst auch Zeugenaussagen und Analysen, die auf Kriegsverbrechen hinweisen.
Bewaffnete palästinensische Gruppen im Gazastreifen feuerten Tausende zielungenaue Raketen und Mörsergranaten nach Israel ab. Der Einsatz derartig unterschiedslos wirkender Waffen in bewohnten Gebieten ist ein Kriegsverbrechen. Aussagen von Angehörigen der Hamas und bewaffneter palästinensischer Gruppen deuten zudem darauf hin, dass mit einigen dieser Angriffe gezielt Zivilpersonen getötet oder verletzt werden sollten. Amnesty International hat zudem die außergerichtliche Hinrichtung von mindestens 23 mutmaßlichen „Kollaborateuren“ in Gaza durch die Hamas sowie die willkürliche Festnahme und Folter von Dutzenden anderen dokumentiert und verurteilt.